Reisebericht Oktober 2012
Partnerschaft ist: Gemeinsam Verbesserungen erreichen
Liebe Freunde,
soeben von einem einwöchigen Aufenthalt in Belarus mit Dr. Sheila Linder und Robert und Brigitte Teufel zurückgekehrt, finde ich in der Zeitschrift Chrismon ein Interview mit Rupert Neudeck und Ilja Trojanow über den Sinn (und Unsinn) von Entwicklungshilfen. Deren Worte treffen und bestätigen die Erfahrungen, die wir bei unseren Reisen nach Belarus machen dürfen (Zitate):
Neudeck: Natürlich sollen wir helfen, das gehört zur christlichen Barmherzigkeit. Und wenn man es richtig anpackt, kann man großartige Dinge in den Ländern erreichen und sich auch selbst weiterentwickeln. (…). Was meinen Sie, was wir reichen Helfer alles haben lernen können von den materiell Armen.
Trojanow: Für mich als Schriftsteller ist es auch ein Anliegen zu zeigen, dass die Menschen in den ärmeren Ländern eine Würde und einen großen Widerstandsgeist haben. Und dass sie eine kulturelle und ästhetische Kreativität entwickeln, die wir nur bewundern können und die uns bereichert.
In diesem Sinne sehen wir unsere Hilfe zur Selbsthilfe in Belarus. Unsere langjährige Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort zeigt gute Erfolge. Bürgermeisterämter, Schul- Sozial- und Kulturämter arbeiten mit uns zusammen. Viele Menschen, denen wir unsere Hilfe zur Selbsthilfe anbieten, haben Vertrauen gefasst und Kreativität und Eigeninitiative entwickelt. Wir haben immer mehr Helferinnen und Helfer in Belarus, die uns ehrenamtlich unterstützen und wertvolle direkte Hilfe leisten.
Die Frauengruppe, die sich in Ritschow gegründet hat, liefert uns wichtige Hinweise und hilft selbständig den Menschen im Dorf, die Hilfe benötigen.
Sehr glücklich sind wir über die Entwicklung zweier Familien, die wir in den letzten Jahren begleitet haben: Familie P. in Ritschow – wir haben berichtet - hat sich mit unserer Hilfe und viel Eigeninitiative ein angenehmes Heim geschaffen, beide Eltern arbeiten, die drei Kinder sind gesund und gehen zur Schule. Die Familie steht jetzt „auf eigenen Beinen“ und kann auf unsere finanzielle Unterstützung verzichten.
Die alleinerziehende Valentina K. hat in dem teilweise mit eigenen Mitteln erworbenen Haus selbst Wände verputzt, Türen versetzt und Böden verlegt. Derzeit befindet sie sich im Krankenhaus, die Kinder sind in zwei verschiedenen (kostenlosen) Internaten untergebracht. Wir haben einen Handwerker beauftragt, die Arbeiten zu Ende zu führen. Valentina sollte nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus nicht schwer arbeiten und möglichst direkt in das neue Haus einziehen können (die bisherige Unterkunft ist nicht mehr zu bewohnen).
Die von uns geförderten Studentinnen und Studenten (aktuell 32) kamen zu den in Minsk und Schitkowitschi anberaumten Besprechungen. Die Dankbarkeit dieser jungen Menschen über die Hilfe, die wir ihnen dank direkter Sponsoren – darunter viele vom American Womens Club - für dieses Projekt zukommen lassen können, ist riesengroß. Es ist für uns eine Freude zu sehen, wie sie sich entwickeln, selbstbewusster werden und Vertrauen in unsere Hilfe gewinnen. Für manche ist es ein so unglaubliches Glück, monatlich Unterstützung von Menschen aus Europa (und aus Amerika, Kanada und Frankreich) zu bekommen, dass sie es erst nach mehreren Monaten tatsächlich glauben können! Dr. Sheila Linder, die Verantwortliche für dieses Projekt, hat Strukturen und Transparenz geschaffen. Damit besteht absolute Klarheit zwischen Sponsorengeldern, Studenten und Mentoren und alle Transaktionen können mühelos nachvollzogen werden.
Die erste von uns geförderte Studentin, die Halbwaise Oksana L. aus Lenin hat, wie schon berichtet, ihr Studium mit der bestmöglichen Note abgeschlossen (rotes Diplom) und bis jetzt gearbeitet. Inzwischen ist sie verheiratet und bekommt in diesen Tagen ein Baby. Wie alle Frauen in Belarus wird sie danach wieder arbeiten. Mit ihrem Studium kann sie erheblich zum Unterhalt der Familie beitragen. Ihre Sponsorin, mit der sie immer guten Kontakt gepflegt hat, hat mit einem großzügigen Hochzeitsgeschenk der jungen Familie einen glücklichen Start in ein gutes Leben ermöglicht.
„Unsere“ Schule in Ritschow kann sich sehen lassen: Sanitäranlagen, neue Lampen, Tafeln, und Vorhänge, eine sanierte Sporthalle und, besonders wichtig, ein Ganztageskindergarten für zweiundzwanzig Kinder. Viele Sponsoren unseres Vereins haben zur Verwirklichung dieser Projekte mit ihren Spenden beigetragen. Nicht nur der Direktor der Schule, sondern auch eine bedeutende Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern, ebenso wie die Eltern der inzwischen 99 Kinder, unterstützen uns mit Eigenarbeit, Engagement und Kreativität. Die Schule des Ortes Staraschowtse wurde wegen Baufälligkeit geschlossen, die Kinder der Schule in Ritschow eingegliedert: Damit ist die Zukunft „unserer“ Schule in Ritschow für lange Zeit gesichert.
Ein möglichst bald zu realisierendes Projekt ist die Komplettsanierung der Schulküche in Ritschow. Die Schulbehörde bereitet Planungsunterlagen vor, Schulamt, Kollegium und Elternschaft sind zur Mitarbeit bereit. Wir müssen allerdings noch Sach- und GeldspenderInnen finden.
Für die Sommerfeien 2013 werden sich Kinder aus Ritschow und den umliegenden Dörfern sowie die Kinder der 5. Deutschklasse des Gymnasiums in Schitkowitschi bewerben. Zwei besonders bedürftige Kinder, ein Junge und ein Mädchen aus der Englischklasse in Schitkowitschi, dürfen sich (auf Bitten der Direktorin) ebenfalls bewerben. Wir hoffen, im nächsten Jahr genügend Gasteltern für alle zu finden.
Viele Kinder, die im Sommer 2011 und 2012 eingeladen waren, haben wir getroffen. Alle grüßen ihre Gasteltern sehr herzlich und alle wären sehr glücklich, wieder eingeladen zu werden. Von Eltern und Lehrern bekamen wir wiederum bestätigt, wie positiv sich die Erholung der Kinder in Deutschland auf ihre Gesundheit und ihre Gesamtentwicklung auswirkt. Die Kinder, die mehrfach ins Ausland reisen durften, entwickeln sich auffallend gut.
Ein Erlebnis besonderer Art hat uns die Spende einer Tierärztin aus Albbruck beschert. Vom Tierarzt, den wir um die Verteilung gebeten hatten, durften wir erfahren, dass die Chirurgen der Krankenhäuser vor Ort überglücklich waren über das Operationsbesteck, das sie zwar an der Universität gesehen, aber noch nie zur Verfügung hatten. Die Chirurgen bitten herzlich um Operationsbesteck für Blutgefäße und kleines Operationsbesteck für Kinder.
Bei jedem Besuch in Belarus suchen wir die Familien von Gasteltern oder Ferienkindern auf, um uns ein Bild über deren Lebensverhältnisse zu machen. Oft können wir helfen. Dieses Jahr haben wir auch einer aserbeidschanischen Flüchtlingsfamilie Hilfe zugesagt. Es gibt im Haus kein Wasser, der Gefrierschrank ist kaputt – das Fleisch des schlachtreifen Schweines kann nicht konserviert werden.
Bei Familie C. mit 4 Kindern, wovon der sechsjährige Ilja und das Neugeborene behindert sind, sind wir an unsere Grenzen gestoßen. Es gibt keine Heizung – der Heizkessel ist defekt und nicht mehr zu reparieren. Die Mutter ist in ihren geistigen Fähigkeiten eingeschränkt und kann trotz aller Mühe nicht richtig für die Kinder sorgen. Wir haben alle zuständigen Personen und Ämter gebeten, sich für Mutter und Kinder einzusetzen. Wir haben Ilja im Sommer einen Rollstuhl gebracht und freundliche Gasteltern haben die Familie mit Kleider- und Lebensmittelpaketen versorgt. Marina Kharitonowa wird sich dafür einsetzen, dass Hilfe geleistet wird und/oder uns informieren, wie wir sinnvoll helfen können.
Robert und Brigitte Teufel, langjährige Gasteltern und Organisatoren der Kindererholung St. Georgen, haben mehrere Gastkinder und deren Eltern besucht. Alle Familien haben sich riesig gefreut über diesen Besuch und die Gasteltern sehr freundlich empfangen. Wir durften erleben, wie sehr die Familien und Kinder noch sieben und acht Jahre nach der Sommererholung froh und dankbar dafür sind.
Die vielen Dankesworte, die wir entgegennehmen durften, leiten wir hiermit an Sie weiter – Danke für Ihre großherzige Unterstützung. Nach dieser Reise dürfen wir erneut bestätigen: Jede Hilfe kommt an und bewirkt auf vielen Ebenen nachhaltig Gutes.
Mit besten Grüßen,
Ihre Hedi Müller